"Wir lassen uns nicht abschalten": Das war die klare Ansage bei der Demo in Berlin. Foto: Boris Geilert
"Wir lassen uns nicht abschalten": Das war die klare Ansage bei der Demo in Berlin. Foto: Boris Geilert
Mit so vielen Teilnehmern hatten die Personalräte der Deutschen Welle (DW) in ihren kühnsten Träumen nicht gerechnet: 600 Demonstranten zogen am Montag, 15. Dezember 2014, durch Berlins Mitte zur Kundgebung am Brandenburger Tor. Dort ging es ebenfalls darum, deutlich zu zeigen, dass die Mitarbeiter des Senders die Pläne von DW-Intendant Peter Limbourg keineswegs teilen. Er will aus dem deutschen Auslandssender eine zweite BBC machen und bestehende Programmangebote abbauen.Davon wären auch die Journalisten an beiden Standorten des Senders massiv betroffen. Der Kölner Journalist Frank Überall aus dem DJV-Bundesvorstand hielt Limbourg entgegen: „Wir wollen keine BBC und kein CNN für Arme - wir wollen gute journalistische Arbeit, die eben auch gutes Geld kostet.“ Überall wies darauf hin, dass die Personaletats der Deutschen Welle seit 15 Jahren nicht angehoben wurden. Statt Fantasien sollte der Intendant lieber konkrete Pläne schmieden, die den Journalisten und dem Programm zu Gute kommen. Auch eine Delegation des Örtlichen Personalrats (ÖPR) Bonn nahm an der Demonstration teil und zeigte somit den starken Zusammenhalt zwischen Bonn und Berlin. Der stellvertretende Vorsitzende des ÖPR Bonn hielt auf der Kundgebung eine Rede.
Rede von Daniel Scheschkewitz vom ÖPR Bonn auf der Kundgebung in Berlin am 15. Dezember 2014
Liebe Kolleginnen und Kollegen,verehrte Damen und Herren in der Politik,die Deutsche Welle mit ihren 30 Sprachen – darunter Deutsch - ist ein Schaufenster Deutschlands in der Welt. Ihre Journalisten sind Garant dafür, dass dieser Sender deutsche Standpunkte und Sichtweisen medial aufbereitet und sie in der deutschen Sprache und in 29 anderen Sprachen Millionen von Menschen auf diesem Globus präsentiert. Allein im Internet kam die Deutsche Welle im Oktober 2014 auf über 180 Millionen Nutzerkontakte. Hinzu kommen über 11 Millionen Abrufe von Videos und Audios. Weitere 4 Millionen Menschen haben unsere Angebote auf Facebook oder Twitter kommentiert. Dies ist die gemeinsame Leistung von 3.000 festen und freien Mitarbeitern an den Standorten Bonn und Berlin und darauf können wir zu Recht stolz sein!Dass die DW ihre Programmangebote auch in deutscher Sprache macht, liebe Kolleginnen und Kollegen, schien vielen von uns bisher als Selbstverständlichkeit. Leider haben wir uns getäuscht. Dabei ist die Sprache doch zentral für die Identität eines Landes und sie ist es auch für die Zukunft der Deutschen Welle. Mit dem Verlust der deutschen Sprache in der DW würde der deutsche Auslandssender nicht nur den deutschen Blickwinkel, sondern auch einen wichtigen Teil seiner Themen, ja seinen Charakter und Markenkern verlieren. Dazu darf es nicht kommen, und dafür muss die Politik Verantwortung tragen.Die Deutsche Welle ist aber mehr als die Brücke Deutschlands in die Welt. Sie ist über ihre Fremdsprachenprogramme auch eine Stimme der Freiheit in zensierten Märkten, in denen Zugang zu unabhängigen und objektiven Informationen den Menschen permanent oder zeitweilig vorenthalten wird.Egal ob in China, Russland, der arabischen Welt oder in den von autoritären Pressegesetzen und korrupten Oligarchen bedrohten Staaten Südosteuropas: Die Deutsche Welle ist eine zuverlässige Quelle für seriöse Information und ein Träger unseres auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und der Würde des Menschen basierenden Wertesystems. In Afrika und Asien vermittelt sie den Menschen nicht nur ein realistisches Bild über die Zustände in Deutschland und Europa. Sie ist auch eine Quelle der Information für die häufig beklagenswerten Zustände in diesen Ländern.Dabei geht die Deutsche Welle nicht nach der einst verheerenden Devise vor, wonach am deutschen Wesen die Welt genesen soll. Nein, wir sprechen die Menschen nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe in ihrer jeweiligen Landes- oder Regionalsprache an. Und durch Journalistinnen und Journalisten, die wissen, worum es geht, weil sie selbst aus den betroffenen Ländern kommen und die Perspektiven der Menschen in diesen Teilen dieser Welt Deutschland nahe bringen.Die fremdsprachigen Journalistinnen und Journalisten der Deutschen Welle sind Deutschlands Brille für die Zustände in ihren Teilen der Welt - eine Brille, die es uns erlaubt, die Krisenregionen dieser Welt besser zu verstehen, damit Deutschland auf der politischen Weltbühne die richtigen Entscheidungen trifft.All dies, liebe Kolleginnen und Kollegen und Mitstreiter, ist bedroht, wenn die Deutsche Welle weiter wie in den letzten 15 Jahren kaputt gespart wird. Während andere Auslandssender in autoritären Staaten von den Machthabern mit zusätzlichen Mitteln aufgerüstet wurden, droht der DW mit ihrer derzeitigen Finanzausstattung ein langsamer, aber unaufhaltsamer Tod.Mit der von Intendant Limbourg ins Auge gefassten Einstellung der Programme in Deutsch, Spanisch, Arabisch und zehn weiteren bisher nicht näher benannten Online- und Radiosprachen, würde der Sender zu einem bloßen Rumpfprogramm verkommen. Hunderte von Mitarbeitern würden ihren Arbeitsplatz verlieren und Deutschlands Stimme in der Welt würde erheblich an Kraft einbüßen. Dies kann nicht im Sinne des deutschen Steuerzahlers sein und deshalb muss sich die deutsche Politik endlich zu ihrer Verantwortung für die Deutsche Welle bekennen!Mit 30 Millionen Euro mehr im Etat könnten alle in Frage gestellten Programme erhalten bleiben! 30 Millionen Euro pro Jahr: Das ist so viel Geld, wie die ständige Verschiebung der Eröffnung des neuen Berliner Großflughafens den Steuerzahler in einem Monat kostet.30 Millionen, um im Kampf um die Informationshoheit in einer immer krisenhafteren Welt mit einer starken Stimme zu sprechen. Aber nicht als deutscher Abklatsch von BBC, CNN oder Al Jazeera, sondern als eine mediale Stimme der Kulturnation Deutschland mit ihrer Sprache, all ihren Sonnen- und Schattenseiten und als Stimme eines Landes, das seiner gewachsenen politischen Bedeutung in der Welt durch einen modernen, vielsprachigen Auslandssender angemessen Rechnung trägt.Die Mitarbeiter der Deutschen Welle sind über beide Standorte und über alle Sprach- und Redaktionsgrenzen hinweg in diesem Kampf solidarisch. Wer glaubt, er könne die deutschen gegen die ausländischen Kollegen aufbringen und Redaktionen beim Ringen um die Finanzierung ihrer Programme gegeneinander ausspielen, sieht sich in diesen Tagen enttäuscht. Im Gegenteil: Immer mehr Kolleginnen und Kollegen nehmen die DW als ein Unternehmen war. Als journalistisches Mutterhaus für vielfältige Sprachen und Kulturen, in der jede einzelne zur Gesamtstatik des Unternehmens beiträgt. In diesem Sinne lautet unsere Forderung:Kahlschlag ist kein Konzept für den Erhalt des Deutschen Fernsehens und der Sprachenvielfalt insgesamt.Wir sind gegen eine journalistische Monokultur, weil die nicht nachhaltig wäre.Für eine angemessen finanzierte DW, denn nur so kann die Deutsche Welle stark sein.
Berlin, 15. Dezember 2014 // Daniel Scheschkewitz