WDR plant Umstrukturierungen im Kulturprogramm auf WDR 3
Alleingang anstatt Mitmachkultur
Kurz nach dem umstrittenen Aus für die Geschichtssendung „Stichtag“ auf WDR 2 stehen nun Literaturformate auf WDR 3 zur Disposition. Mit dieser Entscheidung stellt der WDR insbesondere freie Mitarbeiter*innen zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit vor vollendete Tatsachen. „Ein Fehler in mehrfacher Hinsicht – in der Sache, aber vor allem mit Blick auf die Unternehmenskultur.“ So bewertet Frank Stach, Landesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands NRW, den erneuten Alleingang der WDR-Spitze.
„Kultur, und damit auch die Literatur, gehört konstitutionell zum Programmauftrag des WDR. Und auch wenn der Sender behauptet, sich breiter aufstellen zu wollen: Das, was uns da in diesen Tagen erreichte, klang erstmal nach Sparprogramm. Dabei muss der WDR als Teil des öffentlich-rechtlichen Systems gerade in diesen Zeiten alles tun, um seinen gesetzlichen Auftrag zu erfüllen. Da geht es auch um Legitimation“, warnt Stach weiter.
Ab März soll es in der Sendung „WDR 3 Mosaik“ unter anderem keine regelmäßige Buchrezension mehr geben, heißt es in einer Mail an die Mitarbeiter am vergangenen Freitag (22. Januar).
In einem Interview mit WDR 3-Programmchef Matthias Kremin versucht der Sender am Dienstag, 26. Januar, zu beschwichtigen. Kremin erklärt: „Die Literaturberichterstattung bei WDR 3 steht nicht zur Diskussion. Sie soll vielmehr vielfältiger und innovativer werden und nicht auf einem vereinzelten Sendeplatz am Morgen im immer gleichen Format ausgespielt werden.“ Weiter ginge es nicht darum, Buchrezensionen abzuschaffen – vielmehr darum, die Auseinandersetzung mit Kultur abwechslungsreicher zu gestalten und damit die Bedürfnisse unserer Hörer*innen im Blick zu behalten.
„Wenn das wirklich so ist, warum entwickelt man dann nicht zunächst gemeinsam mit allen Mitarbeiter*innen diese neuen Konzepte? Warum konfrontiert und frustriert man die eigenen kreativen Köpfe dann ohne Not mit solchen Streichkonzerten?“ Das habe, mahnt der DJV-Landesvorsitzende, auch etwas mit Unternehmenskultur zu tun.
„Natürlich muss man immer wieder darüber diskutieren, was man unter zeitgemäßem Kulturprogramm versteht – auch über Literaturformate. Radio muss sich weiterentwickeln dürfen“, sagt Stach. "Aber diese Diskussion müsse dann mit denen geführt werden, die das Programm am Ende machen. Mit festangestellten und auch den freien Radiomacher*innen im Sender“, kommentiert Frank Stach.
Der DJV-NRW fordert die WDR-Senderspitze dringend auf, Programm-Umstrukturierungen gemeinsam mit den WDR-Kultur-Journalist*innen vorzunehmen. „Wir erwarten, dass die Umstrukturierungen keine Kürzung der Aufträge für Freie bedeutet. Gerade jetzt in der Corona-Pandemie, in der es für viele sowieso schon schwer ist, genügend Aufträge zu bekommen, sollte sich der WDR als ein Arbeitgeber hervortun, der seinen Beschäftigten die dringend notwendige Beschäftigungssicherheit gibt anstatt sie noch mehr vor den Kopf zu stoßen“, erklärt Stach.
Nur wer die Mitarbeiter*innen mitnehme, könne auch die Hörer*innen erreichen, mahnt der DJV-Landesvorsitzende. Dass der Hörer*innen-Wille bisweilen bei der WDR-Spitze gerne mal in den Hintergrund gerät, zeigt der Umgang des Senders mit dem WDR 2-Stichtag, einem der meistgehörten und -heruntergeladenen Formate des Senders.
„Gerade in dieser Zeit, in der Menschen versuchen, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk seine so wichtige Rolle in unserer Gesellschaft abzusprechen, wäre es verheerend, der WDR würde auch nur den Anschein erwecken, sein Kulturprogramm einzuschränken. Damit verprellt der Sender diejenigen, die ihm eigentlich den Rücken stärken“, warnt Stach.
Ansprechpartnerin: Marie Kirschstein, Email: marie.kirschstein@djv-nrw.de, Tel: 0211/23399-200