Podiumsdiskussion des DJV-NRW stößt auf großes Zuschauerinteresse
(Bild-)Journalisten unter Druck
V.l.n.r.: Frank Überall, Alexander Völkel, Björn Kietzmann, Gregor Lange, Foto: Thomas Schwarz
„Vielen ist der Druck auf Journalisten bislang gar nicht bewusst“, betont Frank Überall, Vorsitzender des DJV-Bundesverbands, gleich eingangs auf dem Podium. Auf Einladung des DJV-NRW, des Pressevereins Ruhr und der Nordstadtblogger diskutierten im Kino des Kulturort Depot in Dortmund der DJV Bundesvorsitzende mit den beiden Journalisten Alexander Völkel und Björn Kietzmann sowie dem Polizeipräsidenten Dortmunds Gregor Lange. Es moderierte Kay Bandermann, Vorsitzender des Pressevereins Ruhr vor mehr als 70 Zuschauern. So berichten Björn Kietzmann und Alexander Völkel von den vielfältigen Bedrohungen bei der Ausübung ihres Berufs durch (Rechts-) Extremisten. Einschränkungen erfahren sie allerdings auch durch Behinderungen durch die Polizei. Kietzmann war die Akkreditierung als Pressevertreter bei G20 entzogen worden. „Die Pressefreiheit muss in allen Einsatzbesprechungen der Polizei Thema sein“, fordert denn auch Überall. Neben schriftlichen Einsatzbefehlen sollte eine Kommunikationsstruktur aufgebaut werden, die den nötigen Raum für die Berichterstattung zulasse und die Sicherheit der Journalisten gewährleiste. Wo Menschen arbeiten, passierten aber auch Fehler. Sollten Journalisten in ihrer Arbeit durch Beamte behindert werden, sollte dieses auch zu einer Dienstaufsichtsbeschwerde gebracht werden. Es müsse immer auch abgewogen werde, so Überall, welche Rolle der Journalist habe. Er dürfe sich beruflich nicht in die Rolle eines Aktivisten begeben und müsse sich im Zweifelsfalle juristischen Rat einholen. Einig sind sich Überall und Polizeipräsident Lange darin, Vorfälle zu melden, die Journalisten durch Gewalt oder Einschüchterungen Dritter erfahren. Nur so könnten die Fälle aufgeklärt werden. Viele Journalisten hätten inzwischen aber auch nicht mehr den Mut, sich und ihre Familien damit in Gefahr zu bringen, so Überall.Kontakt: Beate Krämer, Pressereferentin, 0211 233 99-200
Der Tagesspiegel berichtet hier ebenfalls über die Veranstaltung.
Alle Details der spannenden Podiumsdiskussion gibt es hier im Bericht von Theo Körner:
Podiumsdiskussion über die Bedrohungslage für Medienvertreter, die Aufgaben der Polizei und rechtliche Grundlagen
Wenn Kamerateams des Mitteldeutschen Rundfunks Kundgebungen und Demonstrationen filmen, haben sie schon seit längerem Bodyguards als Begleiter, inzwischen sind auch Kollegen aus Westdeutschland mit Personenschutz unterwegs: Angesichts der vermehrten Übergriffe auf Journalisten haben sich TV-Sender zu diesen Sicherheitsmaßnahmen entschlossen, berichtete Frank Überall, DJV-Bundesvorsitzender, im Dortmunder Kulturzentrum Depot. Er gehörte mit dem Fotografen Björn Kietzmann, dem Dortmunder Polizeipräsidenten Gregor Lange und Alexander Völkel, Betreiber des Portals „Nordstadtblogger“, zu den Teilnehmern einer Podiumsdiskussion, bei der die Frage im Mittelpunkt stand, welcher Bedrohungslage Medienvertreter ausgesetzt und welche Folgen damit für die Pressefreiheit verbunden sind. Über 70 Besucher waren der Einladung zu dem Forum gefolgt, veranstaltet vom DJV und moderiert von Kay Bandermann. Zugleich gehörte die Veranstaltung zum Begleitprogramm der Ausstellung weltbester Pressefotos.
Blog „Augenzeugen.Info“ ins Leben gerufen
Da Polizeibehörden keine eigenen Statistiken zu Übergriffen auf Journalisten führen und die Taten auch selten öffentlich bekannt werden, habe der Deutsche Journalistenverband den Blog „Augenzeugen.Info“ ins Leben gerufen, erläuterte Überall, der für die Seite verantwortlich zeichnet. Dort werden Augenzeugenberichte über solche Vorfälle gesammelt. Ziel sei es, die Bevölkerung und insbesondere auch die Politik auf die Probleme aufmerksam zu machen. Einer der Journalisten, der dort seine Erfahrung schildert, war auch in Dortmund zu Gast: Björn Kietzmann.
Polizei weder Freund noch Helfer
Im Blog und während der Diskussion berichtete der Journalist, wie er während eines Neonazi-Aufmarsches in Bautzen von einem der über 300 Rechtsradikalen und Sympathisanten attackiert worden sei. Bei einem Schlag gegen seine Kamera, prallte das Gerät in sein Gesicht. Zudem wurde das Gehäuse stark beschädigt. Als er sich an umstehende Polizeibeamten wandte, haben, so Kietzmann, zwei zunächst einmal überhaupt nicht reagiert. Erst weitere Polizisten hätten sich um ihn gekümmert, erläuterte der Fotograf. Er habe auch in anderen und ähnlichen Situation schon von Beamten zu hören bekommen, dass sie weder für seinen Schutz zuständig noch verantwortlich seien.
Dortmunder Polizeipräsident: „Einsatzkräfte sorgen für Schutz der Journalisten“
Solchem Verhalten entgegnete der Dortmunder Polizeipräsident Gregor Lange, dass die Behörde, für die er verantwortlich ist, „anders aufgestellt“ sei. Er wies als Beispiel auf den Einsatzbefehl zum Neonazi-Aufmarsch am 14. April in Dortmund und die Gegendemonstrationen hin. In dem Papier sei ausdrücklich erwähnt, dass die Einsatzkräfte für den Schutz von Medienvertretern Sorge zu tragen hätten. In Zeiten, in denen westliche Demokratien durch Extremisten und Populisten unter Druck geraten, gelte es die Grundrechte zu gewährleisten und zu denen zähle auch und besonders die Pressefreiheit, hob Lange hervor.
DJV-Vorsitzender fordert Hilfe durch Beamte ein
Im Falle von Demonstrationen und Kundgebungen gehöre es zu den Aufgaben der Polizei, die Bewegungsfreiheit von Journalisten zu ermöglichen und bei Bedarf würden auch Mitarbeiter der Pressestelle Medienvertreter begleiten, so der Behördenchef. Frank Überall forderte, dass die Polizei intern Kommunikationsstruktur garantieren müsse, damit im Fall von Übergriffen Journalisten auch direkt Hilfe und Unterstützung erhalten.
Dortmunder Blogger erinnert an Attacken der Neonazis
Der Dortmunder Blogger Alexander Völkel sprach über Vorkommnisse, bei denen die Polizei tatenlos zugeschaut habe. Als bei einer Bürgerversammlung zur Errichtung von Flüchtlingsunterkünften sich ganz in der Nähe des Eingangs Neonazis postiert hatten und die Besucher verbalen Attacken ausgesetzt gewesen seien, wäre die Polizei nicht eingeschritten. Völkel erinnerte ferner daran, dass Neonazis wiederholt einige Journalisten attackiert hätten, beispielsweise mit Pfefferspray. Darüber hinaus seien Todesanzeigen von mehreren Dortmunder Journalisten im Netz veröffentlicht worden. Besonders problematisch sei ferner, wenn Rechtsextreme „die Seiten wechseln“ und plötzlich als Fotografen auftreten würden. „Einen Presseausweis haben sie sich aus dem Internet heruntergeladen und stellen dann Bilder von Gegendemonstranten auf ihre Internetseiten“.
Presseausweise mit Vermerk der Innenministerkonferenz
Die Polizei könne allerdings mittlerweile ein Unterscheidungsmerkmal bei den Presseausweisen nutzen, erläuterte Frank Überall. Hauptberufliche Journalisten bekommen vom DJV, von der DJU oder vom Bundesverband der Zeitungsverleger Ausweise mit einem offiziellen Vermerk der Innenministerkonferenz der Länder.
Nach G20 Gipfel Stelle eines Akkreditierungsbeauftragen geschaffen
Darüber hinaus ging Überall noch auf eine weitere Änderung ein: Das Bundespresseamt habe die Stelle eines Akkreditierungsbeauftragten geschaffen und damit auf die Diskussionen und Proteste nach dem G20-Gipfel reagiert, als 32 Journalisten nachträglich die Akkreditierung aberkannt worden war. Björn Kietzmann gehört zu den seinerzeit betroffenen Medienvertretern und erläuterte, dass er erst im Nachhinein und unter Einschaltung eines Rechtsanwaltes die Gründe für die Entscheidung erfahren habe. Das BKA habe in seinem Fall auf zum Teil schon seit vielen Jahren eingestellte Verfahren zurückgegriffen, darunter auch eines aus der Studienzeit. In der Situation in Hamburg selbst, sei es ihm aber überhaupt nicht möglich gewesen, juristische Hilfe zu bekommen oder konkrete Angaben, weshalb die Akkreditierung entzogen wurde.
Die Abgrenzung journalistischer Arbeit
Als Kietzmann darüber sprach, dass er vor rund zwei Jahren über 1000 Flüchtlingen auf dem Balkan als Fotograf begleitete, damals waren er und weitere Berufskollegen in Mazedonien von Behörden festgesetzt und erst nach Zahlung einer Geldstrafe wieder freigekommen, warf er die Frage auf, wo die Grenze journalistischer Arbeit und Beteiligung an Ereignissen liege. In einem weiteren Beispiel ging er auf Proteste gegen den Kohleabbau während des Klimagipfels in Bonn ein. Aktivisten sei es damals gelungen, in ein Kohlegebiet vorzudringen. „Da steht man dann vor dem Problem, gehe ich als Fotograf mit hinein, um die Aktion zu dokumentieren und riskiere ich gegebenenfalls eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch oder fotografiere von außerhalb des umzäunten Terrains?“
Frank Überall: „Journalist darf kein Aktivist sein“
Frank Überall wandte ein, dass es vom Prinzip her eine klare Trennlinie gebe, als Journalist dürfe man in Ausübung seines Berufes nicht Aktivist sein. Ob man in seiner Freizeit eine solche Rolle übernehme, sei derzeit Gegenstand von zahlreichen Debatten. Eine Teilnehmerin, als Journalistin im Agrarbereich tätig, berichtete von ganz unterschiedlichen juristischen Einschätzungen, inwieweit es rechtens ist, wenn Medienvertreter Aktivisten begleiten, die versuchen wollen, Missstände in der Tierhaltung aufzudecken und dazu gegebenenfalls einen Einbruch riskieren.
Problemfall verdeckte Recherche
Nach Worten von Frank Überall geben die Gesetze aber durchaus eine Richtung vor, denn Berichte von Günter Wallraff seien nun mal rechtlich haltbar. Eigentlich gelte verdeckte Recherche zwar als unerlaubt, aber im Falles eines so genannten rechtfertigenden Notstandes, der zugleich von öffentlichem Interesse sei, dürfe man sie anwenden. Und genau das treffe eben zu, wenn Wallraff beispielsweise Unrechtmäßigkeiten im Transportgewerbe oder bei einer Schnellrestaurantkette aufdecke, meinte Frank Überall.
Hohe Hürden vor Beschlagnahmung von journalistischem Material
Der DJV-Vorsitzende betonte darüber hinaus, dass es hohe Hürden gebe, bevor Behörden Material von Journalisten beschlagnahmen dürfen. Hier müsse man wachsam sein und bleiben. Björn Kietzmann schilderte, dass nach Protesten gegen die EZB in Frankfurt bei ihm Hausdurchsuchungen stattgefunden hatten, damit die Behörden an sein Bildmaterial kommen konnten. Erst später habe sich die Staatsanwaltschaft an ihn gewandt und erklärt, man habe nicht gewusst, dass er Journalist sei. Nach Ansicht von Überall wäre es hier eigentlich auch geboten gewesen, dass sich die Justiz den Richter vornimmt, der den Durchsuchungsbeschluss ausgestellt hat.
Fatale Folgen, wenn ein Journalist eigentlich die Polizei im Kampf gegen Rechte unterstützen wollte
Welche ungeahnten Folgen es haben kann, wenn man von sich aus der Polizei Fotos zur Verfügung stellt, damit sie einer Straftat aufklären kann, schilderte Alexander Völkel. Als nach der Kommunalwahl 2014 Neonazis das Rathaus gestürmt und sich Vertreter demokratischer Parteien ihnen entgegenstellt hatten und dabei auch selbst Opfer wurden, hatte er Fotos an die Polizeibehörde gegeben. Die Aufnahmen nutzte die Polizei aber letztlich nicht nur, um Beweise gegen die Neonazis zu haben, sondern auch, um Verfahren gegen eine ganze Reihe von Politikern demokratischer Parteien einzuleiten. Sie hätten sich, so der Vorwurf, der Nötigung schuldig gemacht, weil sie die Rechtsextremen am Zutritt zum Rathaus gehindert haben sollen. Durch ein solches Vorgehen der Polizei sei Vertrauen zwischen ihm und den Politikern stark beschädigt worden, erklärte Völkel.
Der Fahrradhelm als Waffe
Wollen sich Journalisten im Übrigen bei Demos dadurch selbst schützen, dass sie eine Schutzweste anlegen oder einen Fahrradhelm tragen, erfüllen sie den Tatbestand der Passivbewaffnung. Doch jedwede Form von Bewaffnung lässt das Versammlungsrecht nicht zu, erklärte Polizeipräsident Gregor Lange. Er reagierte damit auf Aussagen von Alex Völkel, der davon berichtet hatte, dass Kollegen eine Anzeige oder einen Strafbefehl bekommen hätten, weil sie nach Aufforderung durch die Polizei die Helme nicht abgelegt hätten. Einschränkend meinte Lange allerdings, dass man sich natürlich jeden Fall einzeln ansehen müsse, um auch die Beweggründer der Beamten nachvollziehen zu können.
Gemeinsamer Versuch
Sowohl Björn Kietzmann als auch Frank Überall äußerten ihr Unverständnis über das Vorgehen der Beamten. Angesichts auch eigener Erlebnisse meinten die beiden Journalisten, dass doch Westen oder Helme einen guten Schutz bieten würden. Der DJV-Vorsitzende schlug Alexander Völkel vor, doch mal bei einer nächsten Demo in Dortmund gemeinsam den Versuch zu unternehmen, als Berichterstatter mit Helm aufzutreten.
Der Artikel wird auch im Journal 04/2018 veröffentlicht.