Rundfunkabgabe
"Das erinnert eher an eine Kampagne"
Interview mit dem WDR-Journalisten und neuen DJV-NRW-Vorsitzenden Frank Stach über Negativberichte zur RundfunkabgabeDie Öffentlich-Rechtlichen stehen unter Druck: Seit Wochen berichten Medien meist negativ über die neuen Rundfunkbeiträge – und hinterfragen dabei auch die Sender, z.B. den WDR. An den Mitarbeitern gehe das nicht spurlos vorbei, meint der Vorsitzende des DJV-NRW, Frank Stach, der als freier Fernseh- und Hörfunkjournalist für den WDR tätig ist. Seine Kollegen fühlten sich einer regelrechten Kampagne ausgesetzt und machten sich existenzielle Sorgen. In einem Interview geht er näher auf die momentane Situation ein.DJV-NRW: Wie erleben Sie derzeit die Debatte um die Anfang des Jahres eingeführte Rundfunkabgabe?Stach: Ich bin, ehrlich gesagt, bestürzt. Ich kann nicht nachvollziehen, wie vor allem einige Zeitungen über dieses Thema berichten. Das erinnert in Teilen doch eher an eine Kampagne.DJV-NRW: Gibt es da konkrete Beispiele?Stach: Nehmen wir die Schlagzeilen der großen Boulevardzeitung Deutschlands. Da wird von Rasterfahndung gesprochen, um an Gebührengelder zu kommen. Die Zuschauer müssten Zwangsmaßnahmen der Sender fürchten, Inkassojäger würden losgeschickt, Jagd auf Schwarzseher gemacht. Andere Zeitungen formulieren eloquenter. Aber die Problemlage bleibt dieselbe. Manchmal knapp an den Fakten vorbei, wird Stimmung gegen die öffentlich-rechtlichen Sender gemacht.DJV-NRW: Kritik an den öffentlich-rechtlichen Sendern muss aber erlaubt sein, oder?Stach: Natürlich darf die Einführung der neuen Haushaltsabgabe kritisiert werden. Allerdings hätte das auch schon viel früher passieren müssen, nämlich 2010, als die Politik die entscheidenden Weichen gestellt hat. Die Ministerpräsidenten aller Bundesländer haben damals die Rundfunkgebühren neu beschlossen. Jetzt, in dieser manchmal schrillen Debatte, geht total verloren, was man mit der Reform der Beitragsordnung erreichen wollte.DJV-NRW: Dann erinnern wir uns doch noch einmal zurück: Was war die Ausgangssituation, die zur Veränderung führte?Stach: Es wurde deutlich, dass das Programm der öffentlich-rechtlichen Sender nicht mehr nur über die klassischen Geräte Radio und Fernseher empfangen wurden, sondern verstärkt über das Internet, über Smartphones, Tablets, WLAN-Radios etc. Die Anbindung der Rundfunkgebühr an Endgeräte schien daher nicht mehr sinnvoll. Die Politik hat den Reformbedarf damals aufgegriffen und in neue Gesetze gegossen. Diese Reform jetzt den öffentlich-rechtlichen Sendern zum Vorwurf zu machen, halte ich für nicht legitim.DJV-NRW: Mit dieser Meinung stehen Sie im DJV-NRW nicht alleine da…
Stach: Genau, das ist nicht nur meine Privatmeinung. Der Gewerkschaftstag des Landesverbands hat sich in einer Resolution klar für den Bestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ausgesprochen und seine ausreichende Finanzierung angemahnt. Dabei übersieht der DJV-NRW nicht, dass es in der Tat Nachbesserungsbedarf im neuen Beitragsmodell gibt. Die Diskussion darüber sollte aber sachlich und fair geführt werden. Für diese Resolution haben über hundert Journalisten gestimmt; Zeitungskollegen, Rundfunker und Freie haben eine gemeinsame Linie gefunden.DJV-NRW: Die öffentlich-rechtlichen Sender sind eine Medienmacht. Warum wehren sie sich nicht selbst?Stach: Die Rundfunkanstalten haben da anfänglich aus meiner Sicht etwas geschlafen. Sender wie der WDR, der Bayerische Rundfunk, der MDR oder RBB hätten viel früher erklären können, was ab 2013 auf die Zuschauer und Zuhörer zukommt. Gewünscht hätte ich mir mehr Sensibilität und das rechtzeitige Ausloten von Fallstricken. Es gab ja gerechtfertigte Diskussionen darüber, dass Blinde und Gehörlose den neuen Rundfunkbeitrag zahlen sollen. Oder darüber, dass Städte wie Köln plötzlich deutlich mehr für ihre Arbeitsstätten bezahlen müssen. Hier ist der Gesetzgeber gefragt.DJV-NRW: Was stört Sie an der derzeitigen Berichterstattung am meisten?Stach: Dass das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem massiv in Frage gestellt wird. Dabei ist es ja viel mehr, als nur das bundesweit ausgestrahlte ARD-Programm. Ich sehe den WDR und die anderen Landesrundfunkanstalten als wichtige Regionalsender, mit regionalen Fernseh-Magazinen, die gute Einschaltquoten haben. In Nordrhein-Westfalen trägt der WDR neben dem Lokalfunk in hohem Maß zur Medienvielfalt bei.Natürlich gibt es Kritik an Programm, Personal- und Investitionsentscheidungen bei ARD und ZDF sowie Deutschlandradio. Die Kritik an diesen Dingen ist notwendig. Aber mein Kollege Jochen Reinhardt hat kürzlich zu Recht darauf hingewiesen, dass das Bundesverfassungsgericht diesen Unternehmen klare Aufgaben zugewiesen hat. „Daran und nicht an den Interessen von konkurrierenden Wirtschaftsunternehmen sollten sie zunächst gemessen werden – besonders von Journalistinnen und Journalisten“, schrieb er auf der Webseite des DJV im WDR. Dem kann ich mich nur anschließen.