Gewerkschaftstag 2020
Mehr Schutz von Journalist*innen
Mehr Schutz von Journalist*innen bei der Ausübung ihres Berufs: Mit dieser deutlichen Forderung ist gerade (Samstag, 22. August) der erste digitale Gewerkschaftstag des Deutschen Journalisten-Verbands, Landesverband NRW zu Ende gegangen.
„Die zunehmende Bedrängung, Behinderung und tätliche Bedrohung von Kolleginnen und Kollegen, vor allem am Rande von Demonstrationen und Kundgebungen ist für uns weder akzeptabel noch länger hinnehmbar“, bekräftigt Frank Stach, Vorsitzender des Landesverbands. Mit ihrem Apell richten sich die Journalist*innen in Nordrhein-Westfalen gleichermaßen an Arbeitgeber sowie an Polizei und Ordnungskräfte.
Attacke durch vermutlich Rechtsextreme
E3 ist der unscheinbare Name des Antrags, über den die Mitglieder am Samstag beim Gewerkschaftstag abstimmten. Zum Schutz der Gesundheit der Journalist*innen in diesem Jahr nicht von Angesicht zu Angesicht, sondern im Rahmen einer digitalen Netzwerkveranstaltung an Monitoren und Mobilgeräten über das ganze Land verteilt. Der Hintergrund des Antrags ist dabei mehr als alarmierend: Erinnert werden soll an dieser Stelle zum Beispiel an die Attacke durch vermutlich Rechtsextreme im Mai dieses Jahres in Dortmund. Eine freie und unabhängige Berichterstattung sei jedoch nur möglich, wenn Journalist*innen keine Angst haben müssen, bedroht, bespuckt und körperlich angegangen zu werden, heißt es in der Begründung des Antrags. Und: „Ordnungskräfte und Polizei sehen dem leider häufig tatenlos zu.“ Wenn dieser Entwicklung kein Einhalt geboten werde, so Frank Stach, „gleicht das einer Bankrotterklärung der Demokratie.“
Es ist nicht die einzige Baustelle, die den DJV-NRW in den vergangenen Monaten beschäftigt hat. Dies wurde durch die Berichte des Landesvorsitzenden deutlich: Die Lippische Landeszeitung hat sich teils aus dem Tarif verabschiedet, die Westdeutsche Zeitung ihre Düsseldorfer Redaktion geschlossen. Im Bereich Rundfunk ging es in unruhiges Fahrwasser, vor allem für die Lokalradios, um deren Zukunftssicherung der DJV-NRW nicht erst in Corona-Zeiten kämpfen muss. Auch in Zukunft will der DJV hier einen besonderen Schwerpunkt setzen. Die Tarifverhandlungen für den WDR endeten hingegen erfreulich, mit einem Abschluss der alle Seiten zufrieden gestellt hat.
Unerfreulicher Umgang mit der Corona-Soforthilfe
„Und wenn ich mir noch einmal die Berichte durchblättere“, so Frank Stach, „dann bin ich verdammt stolz auf unseren Verband. Wir haben gestreikt, wir haben erfolgreich Tarife verhandelt, wir verklagen Sender und Verleger, wenn sie gegen Tarifverträge verstoßen, wir melden uns zu Wort, um Medienvielfalt zu erhalten. Eine gute Entwicklung sieht der DJV-NRW auch bei RTL. Der Sender setzt auf Journalismus und baut auf ein Team aus rund 1000 Mitarbeitenden, um die Qualität crossmedial zu verbessern.
Die Corona-Krise, so Stach, habe Journalist*innen viel abverlangt. Die Nachfrage nach guten, verlässlichen lokalen und regionalen Informationen war immens. Umso wichtiger, dass die Landesregierung dem Ansinnen des DJV-NRW gefolgt sei und Journalist*innen als systemrelevant eingestuft hat. So konnte etwa die drängende Frage der Kinderbetreuung geklärt werden. Weniger erfreulich war der Umgang mit freien Kolleg*innen in der Krise. Missverständliche und zum Teil sich widersprechende Aussagen zur Corona-Soforthilfe legten zusätzliches Blei auf die Schultern derjenigen, die an der Krise womöglich am schwersten zu tragen hatten. „Hier hat sich gezeigt, wie wertvoll der DJV ist“, lobte der Landesvorsitzende vor allem die hervorragende Beratungs- und Informationsleistung des Teams der Geschäftsstelle. „Ihr wart für viele Kolleginnen und Kollegen draußen oftmals der rettende Anker.“
Westfalenblatt-Gruppe: Tarifflucht in Ostwestfalen
Aber: Die Medienlandschaft in Nordrhein-Westfalen hat sich den ersten Schock der Corona-Krise noch nicht aus dem Fell geschüttelt, da sickert bereits Wasser durch neue Risse: Die Übernahme des Zeitungshauses Bauer durch den Verlag Lensing Media etwa. Stach fürchtet, dass durch den Zusammenschluss weiter an der wichtigsten Ressource von Tageszeitungen eingespart werden soll – den Journalist*innen. Vor allem, da ein solcher Prozess in der Vergangenheit häufig mit der Flucht aus dem Tarif verbunden war. So wie es jetzt in Ostwestfalen der Fall ist, wo die Westfalenblatt-Gruppe das Ausscheren vorbereitet. Nur ein Jahr nachdem Aschendorff dort das Ruder übernommen hat. Anfang kommender Woche steht dazu das erste Treffen von Gewerkschaften und Verlag an.
Die Gesprächsebene wurde in der vergangenen Woche an anderer Stelle zum Bedauern der Gewerkschaft verlassen: Die Tarifverhandlungen der Deutschen Welle stocken. Auf dem Tisch liegt ein Angebot über ein Prozent. Ein Gehaltsplus, das „allein schon durch die Inflation aufgefressen wird“, so Stach: „Hier stehen jetzt die Zeichen auf Sturm, wenn die Chefs in der Deutschen Wellen nicht doch noch die Kurve bekommen.
Inmitten all dieser Schauplätze hat der DJV-NRW die Zeit im vergangenen Jahr auch genutzt, um die eigenen Perspektiven und Möglichkeiten zu hinterfragen. Mit einem großangelegten Zukunftsprozess wird sich die Gewerkschaft dynamisch weiterentwickeln. Dazu wurden Mitglieder und Nichtmitglieder befragt, um das eigenen Profil zu schärfen. Immer verbunden mit der Frage: Wie kann der DJV-NRW noch besser werden? Zahlreiche Aktive bringen sich dauerhaft in diesen Prozess ein, darunter viele Ehrenamtliche. Drei Attribute haben sich dabei herauskristallisiert, die den weiteren Weg des DJV-NRW leiten und prägen werden: unabhängig, wegweisend, solidarisch. So stimmten auch die Teilnehmenden des Gewerkschaftstages einem Antrag zu, diese Kernwerte zu verankern und den DJV-NRW in diesem Sinne weiterzuentwickeln.
Finanzielle Ausstattung der WDR-Lokalzeiten
Weitere Anträge, die die Zustimmung des Gewerkschaftstages fanden, befassen sich mit einer neuen Schnuppermitgliedschaft, der finanziellen Ausstattung der WDR-Lokalzeiten sowie einer verbesserten Fortführung der Corona-Soforthilfen, die sich pragmatisch an der Lebens- und Arbeitswirklichkeit freiberuflichen Journalistinnen und Journalisten orientiert.
Details zu den einzelnen Anträgen und weitere Informationen zu der Arbeit des Landes-vorstands, der einzelnen Fachausschüsse sowie die Ergebnisse der turnusmäßigen Wahlen gibt es unter
www.djv-nrw.de
Ach ja: Die üblichen Regularien gab es selbstverständlich auch. So wurde der Vorstand natürlich nach der Vorstellung des Haushalts ordnungsgemäß entlastet.
Ansprechpartner: Volkmar Kah, 0211/233 99-0, volkmar.kah@djv-nrw.de