Journalistentag 2018: „Algorithmen und Journalismus“
DJV-NRW setzt sich für Kennzeichnungspflicht von automatisiert generierten Inhalten ein
Podiumdiskussion: Sind Algorithmen die besseren Redakteure? V.l. Moderator Johannes Meyer, Prof. Dr. Wiebke Loosen, Hans-Bredow-Institut, Reinhard Karger, Deutsches Forschungszentrum KI, Hans Evert, Upday. Foto: Alexander Schneider
„Wenn wir das Menschliche rausschmeißen, kann man den Menschen ersetzen!“ So die provokante These von Reinhard Karger, Sprecher des Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, zum Einsatz von KI-Technologien im Journalismus auf dem Journalistentag des DJV-NRW am vergangenen Samstag in Dortmund. Der DJV setzt auch deshalb auf eine Kennzeichnungspflicht für automatisiert generierte Inhalte.
Bei der Podiumsdiskussion „Sind Algorithmen die besseren Redakteure?“ konstatierte Experte Karger mit Blick auf Systeme zur Sprachsynthese, für die Wettervorhersage im Radio reiche es, für Nachrichten eher nicht. „Die intensive Diskussion auf dem Journalistentag hat uns nur darin bestärkt: Wir werden uns als Verband für die Kennzeichnungspflicht von Inhalten einsetzen, die auf Basis von Algorithmen, teil- oder vollautomatisiert, generiert und in journalistischen Medien veröffentlicht werden“, kommentiert Frank Stach, Landesvorsitzender NRW des DJV. „ Wir befürworten ebenfalls die Aufnahme der Pflicht zur Kennzeichnung in den Pressekodex, was wir bereits auf unserem letzten Bundesverbandstag formuliert hatten.“
Insgesamt ging es auf dem Podium um die Sensibilisierung für das Thema „Künstliche Intelligenz“, um Technologien, d.h. Programme und um Daten. Bedeutsamer sei heute die Informationskompetenz als die Medienkompetenz, so Karger, Leser und Journalisten müssten aufmerksam sein. Die Frage der Datengrundlage und welche Inhalte in das System von Technologieunternehmen einfließen würden, so Loosen, sei heute dringlicher, als diese Frage an Medienunternehmen zu richten. Auch Karger betont die Bedeutung der Daten: „ Ein Textverarbeitungsprogramm hat keine Vorurteile. Ein künstlich-neuronales Netz wird mit Daten trainiert. Wenn es Vorurteile gibt, dann aus den Daten.“ Jan-Eric Peters, Upday-Produktchef, bestätigt, dass Journalismus bereits datengetriebener als früher ist. Click-Through-Rates hätten schon längst Einfluss auf die Themensetzung. Deshalb sei es gut vorstellbar, dass KI-Technologien künftig die Auswahl von Themen bestimmten. Bereits heute würden Feuilleton-Themen mit Relevanz für eine spitze Zielgruppe weniger beauftragt.
Aus wissenschaftlicher Sicht handele es sich bei der Nachricht um einen standardisierten Prozess, erläuterte Prof. Dr. Wiebke Loosen, Journalismusforscherin vom Hans-Bredow-Institut auf dem Podium, deshalb sei dieser auch automatisierbar. Sie gibt zu bedenken, dass dieselben Technologien für E-Commerce und Produktbeschreibungen auch journalistische Daten auswerten würden. Das mache dann doch einen Unterschied. Meinungsäußernde Texte könnten bislang nicht über Systeme entwickelt werden. „Organisationen müssen entscheiden, wer welche Informationen bekommt“, so Loosen. „Es ist ein Zirkel: Wir haben immer mehr automatisiert erstellte Inhalte und zugleich immer mehr Inhalte, die automatisiert erfasst werden.“
Bereits auf dem Bundesverbandstag des DJV Anfang November in Dresden war die Kennzeichnungspflicht befürwortet worden. Begründung hierfür war, dass der Weg zu automatisierten Inhalten in journalistischen Medien immer schneller beschritten wird. 2017 hatten die Verlegerverbände die wirtschaftliche Dimension des Themas vorangestellt: „Künstliche Intelligenz eröffnet große Chancen für Zeitungsverlage“. Worin diese „Chancen“ bestehen könnten, hatte kurz zuvor die Badische Zeitung formuliert: „Betriebswirtschaftlich spricht alles dafür, dass es so kommen wird.“
Dem DJV hingegen geht es vor allem darum, die Glaubwürdigkeit journalistischer Medien herauszustellen. Daher sei notwendig, automatisierte Inhalte in journalistischen Medien zu kennzeichnen. Dies dürfe aber keine freiwillige „Leistung“ der Medien werden, sondern müsse im Pressekodex verankert werden, so die Forderung.
Gleichzeitig erkennt der DJV an, dass der sogenannte Roboterjournalismus und die dahinterstehende Künstliche Intelligenz sinnvolle Anwendungen aus Sicht einer Redaktion hervorbringen könne, wie der „Feinstaub‐Radar“ der Stuttgarter Zeitung/Stuttgarter Nachrichten zeige. „Mit einer Kennzeichnung allein wird es dabei dauerhaft nicht getan sein“, so die Analyse des Landesvorsitzenden Frank Stach: „Wir müssen Überlegungen anstellen, wie sich automatisch erzeugte Inhalte auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen lassen.“
Kontakt: Beate Krämer, Pressereferentin, 0211 233 99-200