Umfrage zur Situation freier Journalist*innen in der Krise
Freier Journalismus am Abgrund
Düsseldorf, 21.09.2020 Journalist*innen leisten unter den erschwerten Bedingungen in der Corona-Pandemie Unglaubliches. Noch nie war das Bedürfnis der Bürger*innen nach verlässlichen Informationen so hoch wie jetzt. Nicht ohne Grund hat die Landesregierung alle Journalist*innen im April für systemrelevant erklärt. Wer denkt, dass sie deswegen trotz Krise finanziell gut aufgestellt sind, liegt falsch. Das zeigt die Umfrage des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV-NRW) zur Situation von freiberuflichen Journalist*innen in der Corona-Krise.
► Befragungsreport: Die Auswertungsergebnisse zur Situation der Freien im Überblick
„40 Prozent der Freien sorgen sich um ihre berufliche und private Existenz. Das sind 40 Prozent zu viel“, erklärt Frank Stach, Landesvorsitzender des DJV-NRW. Er wundert sich allerdings kaum. „Die bisherigen Hilfsprogramme der Bundes- und Landesregierung helfen den Umfrage-Teilnehmer*innen nicht weiter. Die meisten gehen leer aus. Für diejenigen, die Unterstützung erhalten, ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein“.
Das Wirtschaftsministerium hat letzte Woche eine Fortsetzung der sogenannten Corona-Überbrückungshilfe von September bis Dezember 2020 beschlossen. Solo-Selbstständige sollen weiterhin mit 1.000 Euro unterstützt werden. Dieses Zeichen erkennen wir als DJV-NRW an. Dieser Schritt kann allerdings nicht das dringend erforderliche Maßnahmenpaket ersetzen, wie es vom DJV-Bundesverband gefordert wird. Das belegt auch das Umfrageergebnis: Die Teilnehmer*innen fordern mit großer Mehrheit (rund 70 Prozent) ein umfassenderes Hilfsprogramm. „Ein Hilfsprogramm, das auch den Lebensunterhalt mit einschließt, wäre unbedingt erforderlich. Ansonsten werden viele wie ich langfristig nicht mehr vom Journalismus leben können“, schreibt ein Mitglied des DJV-NRW in der Umfrage zur aktuellen Situation der Freien. Die Landesregierung bleibt aufgefordert, sich hier entsprechend einzubringen.
Finanzielle Situation der Freiberuflichen verschlechtert sich rapide
Mehr als 630 Freie aus allen journalistischen Ressorts haben an der Umfrage teilgenommen. Für mehr als 80 Prozent der Befragten haben sich die Arbeitsbedingungen seit Beginn der Corona-Pandemie verändert – für viele zum Schlechten. 67 Prozent der Umfrage-Teilnehmer*innen bekommen seit Beginn der Corona-Krise weniger bis gar keine Aufträge mehr. Das hat große Auswirkungen auf die finanzielle Situation der Journalist*innen. Ebenfalls 67 Prozent geben an, dass sie weniger verdienen als vor Beginn der Pandemie. Durchschnittlich berichten die Befragten von Honorareinbußen über 50 Prozent. Über 38 Prozent der Freien können dieses Honorardefizit nicht ausgleichen, weil ihre Rücklagen so gut wie oder bereits ganz aufgebraucht sind.
Sofort- und Überbrückungshilfe sind unzureichend
Als die Bundesregierung im Frühjahr die Soforthilfe auflegte, um Soloselbstständigen mit vermeintlich 9000 Euro unter die Arme zu greifen, atmeten viele freie Journalist*innen auf. Das hielt aber nicht lange an, denn mit dem Hilfspaket dürfen nur betriebliche Fixkosten und keine privaten Kosten gedeckt werden – nicht einmal das eigene Honorar. Mehr als 55 Prozent der Befragten haben die Soforthilfe trotzdem beantragt, fast 98 Prozent wurde die Unterstützungsleistung bewilligt. Viele standen angesichts sich widersprechender Informationen aus dem NRW-Wirtschaftsministerium aber oftmals ratlos da. Die Befragten erklären dem DJV-NRW gegenüber, dass sie bis heute unsicher sind, ob, wie viel und auf welchem Wege sie die Soforthilfe wieder zurück überweisen sollen. Am Ende werden wohl nur die wenigsten sie auch wirklich behalten dürfen.
Nachdem es hieß, dass mit der Soforthilfe nur Fixkosten gedeckt werden dürften, ließ das Ministerium für Wirtschaft in NRW dann später verlauten, dass die Kolleg*innen für die Monate April und Mai jeweils 1000 Euro behalten dürfen, um damit auch private Kosten zu decken. Wer aber gedacht hatte, dass ihm/ihr die Soforthilfe nicht zusteht, oder im April und Mai noch auf Rücklagen zurückgreifen konnte, geht leer aus (45 Prozent). Von denjenigen, die die Soforthilfe beantragt hatten, gaben 25 Prozent an, dass die Summe viel zu gering war, um die laufenden Kosten damit zu decken.
Anfang des Sommers hat die Bundesregierung dann mit der sogenannten Überbrückungshilfe nachgelegt, die allerdings nur mit Hilfe von Steuerberater*innen beantragt werden kann, den viele normalerweise nicht engagieren. Die Landesregierung ergänzte das Hilfsprogramm mit jeweils 1000 Euro, die die Beantragenden für private Zwecke nutzen können. Lediglich 11 der über 600 Befragten haben diese Unterstützung bisher zugesagt bekommen, drei davon haben sie als hilfreich empfunden.
Teilnehmer*innen fordern Hilfsprogramm für freie Journalist*innen
Vielen Kolleg*innen fehlt es an einem für freiberufliche Journalist*innen zugeschnittenen Hilfsprogramm, mit dem auch Ausgaben für die private Lebensführung bestritten werden können. Grundsicherung haben nur 17 von über 600 Umfrage-Teilnehmer*innen beantragt. Und das, obwohl dieser Antrag der Lösungsvorschlag der Landesregierung für all denjenigen sein soll, für die die Soforthilfe nicht in Frage kommt.
„Dass sich 40 Prozent unserer freien Mitglieder, die an der Umfrage teilgenommen haben, Sorgen um ihre Existenz machen, ist erschreckend. Zumal viele der Auftraggeber unserer Kolleg*innen jetzt erst nach und nach in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen, weswegen dann in den nächsten Monaten Aufträge wegfallen und die Honorare deutlich zurückgehen werden. Das heißt, bei vielen werden die wirtschaftlichen Schwierigkeiten erst noch kommen“, blickt Frank Stach in die Zukunft. „Dass die Politik die Kolleg*innen im Regen stehen lässt, muss ein Ende haben. Journalist*innen sind ein wichtiger Pfeiler unserer Demokratie, für den die Politik Verantwortung übernehmen muss – und zwar jetzt“, so Stach.
Rückfragen: Marie Kirschstein, Referat Kommunikation und Marketing, Tel: 0211/23399-200, marie.kirschstein@djv-nrw.de