Impuls von Verfassungsschutzpräsident zum Journalistentag 2023
Haldenwang: Journalismus Gegengift zu Ideologie und Propaganda
Über die Rolle des Journalismus in einer durch Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und das Erstarken autoritärer Strömungen in Europa geprägten Umbruchzeit diskutierte der Journalistentag 2023 des Deutschen Journalisten-Verbandes NRW (DJV-NRW) am Samstag in Dortmund. Unter dem Motto „So schön neu!? Journalismus, next Level“ kamen zu den hochkarätig besetzten Foren und Workshops mehr als 500 Besucher:innen in die Sparkassenakademie Nordrhein-Westfalen.
Den Aufschlag machte Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, in seinem virtuellen Impuls: Es sei richtig, die Potentiale von KI-Technologie und Digitalisierung zu nutzen. Doch unübersehbar trage das Digitalzeitalter auch das Gefahrenpotential einer „Desinformationsgesellschaft“ in sich, sagte Haldenwang. „Wenn es auf Fakten nicht mehr ankommt und die Realität auf Weltanschauung reduziert wird, verliert der demokratische Pluralismus sein Fundament“, betonte der Verfassungsschützer. „Sowohl der investigative Journalismus als auch der gesetzliche Auftrag des Verfassungsschutzes können als Gegengift zu Desinformation, extremistischer Ideologie und Propaganda wirken.“ Haldenwang ermunterte die Journalist:innen, als Vierte Gewalt gegen die Bedrohung der Demokratie zu arbeiten.
„Wir haben enorm große Aufgaben für die Demokratie, aber in der Rolle als Vierte Gewalt sollten wir uns nicht überheben“, gab in der anschließenden Diskussion der Intendant des Deutschlandradios, Stefan Raue, bei grundsätzlicher Zustimmung zu Haldenwangs Thesen zu bedenken. Raue betonte, dass er den wachsenden Ansehens- und Bedeutungsverlust der journalistischen Arbeit für gefährlich halte. Es sei an der Zeit, den Menschen klar zu machen, dass die Arbeit von Journalist:innen elementar wichtig ist. „Wir müssen ein bisschen mehr an unserer PR für uns selbst tun“, so der Intendant. Auch Ralf Laskowski, Leiter digitale Inhalte bei Radio NRW, mahnte zur Vorsicht: Die journalistische Unabhängigkeit gegenüber dem Staat sei unbedingt zu bewahren, weil Medien sonst an Freiheit und Glaubwürdigkeit verlören. Auf die schwierigen Abwägungen vor einer stärkeren gesetzlichen Regulierung großer digitaler Plattformen wies Dr. Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW, hin: „Die eigentliche Dramatik der Situation, die durch Desinformation und Propaganda erzeugt wird, ist, dass jede Maßnahme, die wir dagegen einleiten, immer Gefahr läuft, das zu beschädigen, was wir schützen wollen - nämlich die Freiheit.“
Viele der Themen, die den Journalismus zurzeit bewegen, liegen im Spannungsfeld von Chance und Risiko. „Wir wollen über unseren Beruf nachdenken und dabei mehr über die Möglichkeiten als über die Probleme sprechen“, betonte die Landesvorsitzende des DJV-NRW Andrea Hansen. Das war auch auf dem Panel über den Einsatz von KI in Redaktionen zu spüren: Dennis Horn (Leiter 1Live Audio-Unit), Clemens Boisserée (Leiter redaktionelle Produktentwicklung, Rheinische Post) und Peter Dyllick-Brenzinger (Head of Product and Engineering, sprylab) plädierten für eine nüchterne Beurteilung der journalistischen Einsatzmöglichkeiten und beurteilten KI als Weg, von lästigen Routinen entlastet zu werden und wieder mehr Zeit für Recherche zu haben. Man solle der Entwicklung statt mit endzeitlicher Angst, mit Neugier und Offenheit begegnen. „KI wird dich nicht ersetzen, aber es dich vielleicht jemand ersetzen, der weiß, wie man KI bedient“, prophezeite Horn.
Das Nachdenken darüber, wie man die junge Generation für Medien begeistern kann – sowohl als Publikum, aber auch als Nachwuchs in den Redaktionen, prägte auf mehreren anderen Podien die Gespräche. Auch Sexismus und Machtmissbrauch in der Kultur- und Medienszene, die Möglichkeiten und Herausforderungen des Klimajournalismus, die Sicherung des Lokalfunks in NRW und das Ringen der öffentlich-rechtlichen Sender um Publikumsakzeptanz sorgten für lebhafte Diskussionen.
Spontan setzte der Journalistentag zum Ende ein starkes gemeinsames Zeichen: Man versammelte sich zu einem Gruppenfoto, um sich anlässlich des internationalen Tags zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen mit den Betroffenen solidarisch zu erklären.
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