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Podiumsdiskussion von DJV-NRW und Presseverein Ruhr

Lokaljournalismus: Auf neuen Wegen in die Zukunft

14.06.2019

„Lokaljournalismus hat Zukunft. Es gehört nur ein bisschen Mut dazu, um neue Wege zu gehen. Leider lassen sich deutsche Verleger Chancen entgehen. Verlage in anderen Ländern setzen längst neue Formate wie Podcasts oder Lernspiele ein, um junge Leute zu erreichen“, erklärte Frank Überall, DJV-Bundesvorsitzender, am Donnerstagabend im Dortmunder Kulturort Depot. Überall war einer von fünf Experten, die auf Einladung des Pressevereins Ruhr und des DJV-Landesverbandes NRW vor mehr als 50 Gästen über die Zukunft des Lokaljournalismus diskutierten.

Besonders große Zustimmung erntete bei der Gewerkschaftsveranstaltung aber ausgerechnet ein „Verleger“: Klaus Rieping, Geschäftsführer der Ibbenbürener Volkszeitung, zeigt mit seinem Unternehmen im Tecklenburger Land, wie es funktionieren kann. Die Zukunft des Lokaljournalismus bestehe darin, zu allen Partnern im Lokalen eine Geschäftsbeziehung aufzubauen. Rieping lässt die Leser bezahlen und hat schon vor Jahren eine harte Bezahlschranke eingeführt. Er sagt, die Grundversorgung an Lokaljournalismus sei nicht mehr frei zu bekommen. Dies müsse man den Lesern allerdings erklären, denn das Lokale finanziere sich aus dem Lesermarkt.

Aber auch Rieping sieht das Lokale unter Druck – auch durch Fehler der Vergangenheit.  „Der BDZV hat die Konzentration der großen Verlagshäuser so gewollt. Wir können deshalb nur an die großen Verlage appellieren, auch an den Wirtschaftsstandort Deutschland zu denken.“ Den Einheitsbrei an Zeitungen müsse es allerdings nicht geben, wenn die Verlage miteinander arbeiteten.

Der Bürgerportal-Macher und Verleger Georg Watzlawek aus Bergisch Gladbach ist gegen die Bezahlschranke und ermuntert seine Leser, einen freiwilligen Betrag zu zahlen. Er finanziert sein vierköpfiges Team aus den Erlösen der Spenden und Anzeigen. Wie Rieping zahlt er nicht nach Tarif. Er plädiert für die Qualität des Journalismus im Lokalen. Man müsse die Leute wieder dahin führen, sich für Themen zu interessieren. Die Menschen suchten nach Orientierung. Watzlawek sparte aber auch nicht mit Kritik an den Journalisten selbst: Die etablierten Medien hätten in den vergangenen Jahren zu oft an den Interessen der Nutzer vorbei geschrieben. Die Zukunft des Journalismus sieht der Start-Up-Unternehmer jenseits der Verlage.

Nicht so Zeitungsforscher Horst Röper: Es gebe derzeit im Markt niemanden, der flächendeckend ähnliche Strukturen aufweisen könne. Röper plädiert für eine  gesellschaftliche Debatte zum Wert des Journalismus und für eine weitere Finanzierungsquelle. Journalistische Strukturen müssten mit öffentlichen Geldern gestützt werden. Die Ist-Analyse des Zeitungsforschers fällt eher düster aus: Lokalredakteure in immer kleineren Redaktionen müssen immer mehr in immer weniger Zeit leisten. Und das ist der Qualität der Arbeit nicht förderlich. Aber, das machte Röper klar, an trimedialem Arbeiten geht kein Weg mehr vorbei: „Dieser Weg ins Digitale ist ein zwingender.“

Gesellschaft und Demokratie brauchten gerade im Social-Media-Zeitalter professionellen Journalismus. „Qualität und Relevanz müssen stimmen, auch im Lokaljournalismus. Denn gerade hier kennen sich die Leute aus. Die Journalisten und Medien müssten heute auf die Leser zugehen und sie einbinden“, so die Medienfachjournalistin und Sprecherin der Initiative Qualität, Ulrike Kaiser. Da waren sich alle auf dem von Thomas Schwarz moderierten Podium einig. Fehlende öffentliche Kontrolle fördere beispielsweise Korruption, zeigte Überall am Beispiel von US-Städten ohne Lokaljournalismus auf.

Eine zentrale Frage kam sowohl auf dem Podium als auch in der intensiven Diskussion mit dem Publikum immer wieder: Wer bezahlt dauerhaft für den gesellschaftlich wichtigen Lokaljournalismus? Die beiden Unternehmer Rieping und Watzlawek können von den Erlösen ihrer verschiedenen Modelle von Lokaljournalismus leben. Rieping: „Bis in alle Ewigkeit klappt das nicht.“ Sie halten nichts von staatlichen Subventionen. Rieping stellte heraus: „Ich möchte nicht subventioniert werden.“ Das möchte auch Watzlawek nicht. Er plädierte dafür, Lokaljournalismus öffentlich zu finanzieren. Aber das gehe nicht über Subventionen für die bisherige Verlagsstruktur. Es gehe vielmehr darum, die Privilegien von Verlagen zu streichen. „Wir kommen um eine ehrliche Debatte nicht herum“, stellte Ulrike Kaiser fest. Das Einzelkämpfertum von Lokaljournalismus-Portalen sorge in der Fläche des Landes nämlich nicht für die gewünschte Vielfalt im Lokalen. Kaiser: „Wir müssen ohne Tabus reden.“

Frank Überall setzt sich für eine Debatte über Finanzierung und Gemeinnützigkeit von Lokaljournalismus ein. Unterschiedliche Mehrwertsteuersätze für analoge und digitale journalistische Produkte nannte er „absurd“. Es gehe um eine faire Finanzierung von Journalismus. Der DJV-Vorsitzende warnte vor politischer Einflussnahme auf diesen Prozess: „Die Begehrlichkeiten sind groß.“

Der öffentliche Dialog in den regionalen Ortsvereinen des DJV in Nordrhein-Westfalen über die Zukunft des Lokaljournalismus geht weiter. Jörg Prostka vom Märkischen Presseverein lud für den 17. September zu einer weiteren Diskussion über die Zukunft des Lokaljournalismus nach Gevelsberg. Weitere Details dazu in Kürze auf djv-nrw.de

Kontakt: Beate Krämer, Pressereferentin,  0211 233 9 9-200

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