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Unseriöses Angebot

Schleichwerbeverdacht beim Handelsblatt

28.03.2014

Kann man sich beim Handelsblatt den Auftritt in der Rubrik "Leser stellen sich vor" auf Seite 3 erkaufen und auch noch Einfluss auf die Darstellung dort nehmen? Oder hat ein neuer Mitarbeiter einen Fehler gemacht, als er diesen Eindruck erweckte?

Das Branchenblatt Werben & Verkaufen berichtet über einen Fall, in dem ein Anzeigenvertreter einem Kunden das Leserporträt anpreist. Kostenpunkt: 5.000 Euro. Das Format funktioniere "hervorragend, da es sich redaktionell absolut harmonisch in das Handelsblatt integriert und somit als als Beitrag der Redaktion wahrgenommen wird", zitiert W&V aus dem Schreiben. Nach einem halben Jahr könne man das Ganze noch auf die Handelsblatt-Schwester Wirtschaftswoche ausweiten, dort könne ein Unternehmensporträt erscheinen - für insgesamt 10.900 Euro.

Die Verlagsgruppe Handelsblatt (vhb) hat den Vorfall bestätigt und ihn als "Fehler eines Außendienstmitarbeiters" bezeichnet, der neu im Verlag sei. Nachdem dies Anfang März aufgefallen sei, habe man die umstrittene Angebotspraxis sofort unterbunden. Später hat Vertriebsleiter Thomas Gruber die Veranwortung übernommen, wie die vhb-Tochter Meedia berichtet. Gruber stellte klar, dass die Offerte sei bei 396 Porträts nur zwei Mal gemacht worden.Aber auch er bleibt bei der abenteuerlich anmutenden Erklärung, die 5.000 Euro würden für den Erwerb von Nutzungsrechten fällig, die hier versehentlich vorab verkauft worden seien. Schon gegenüber W&V hatte hatte der Verlag den vierstelligen Betrag so erkärt Ein solcher Rechteverkauf sei "in allen Verlagen etabliert" und schütze "das geistige Eigentum der Journalisten".

Beobachter halten die Höhe der Summe allerdings für nicht nachvollziehbar - schon gar nicht mit Blick auf die Webseite, die entsprechende Preise für die Nutzung von Beiträgen auflistet.

Keine schöne Situation für den neuen Chefredakteur Hans-Jürgen Jakobs und seinen Vorgänger Gabor Steingart, der jüngst zum Herausgeber aufstieg. Vor allem letzterer wird von einigen ins Spiel gebracht, wenn es um die Frage geht, wie es mit dem vormals renommierten Handelsblatt so weit kommen konnte. So moniert der Branchendienst turi2 Steingarts Idee, "Kommunikationspakete" an Unternehmer zu verkaufen. Das habe "offensichtlich zur Gelegenheits-Prostitution geführt. Oder ist es angesichts fallender Verlagsumsätze schon Armuts-Prostitution?"

Aufmerksam geworden ist W&V durch einen Blogeintrag bei lead-digital.de zum Thema "Native Advertising". In Zeiten, wo Internetuser die Werbung im Netz gerne durch Adblocker ausblenden lassen, gewinnen Werbeformen wie Native Advertising, Sponsored Post und Advertorials an Gewicht.

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