Gespräch: Gesa Kortekamp (WAZ), Matthias Bau (Correctiv), Sascha Fobbe (DJV)
Unter uns Kolleg:innen: Neu im Betriebsrat
Im Frühjahr sind in vielen Medienunternehmen neue Betriebsräte gewählt worden, der DJV-NRW hat die Wahlen intensiv begleitet. Gesa Kortekamp wurde am 8. März in den neunköpfigen Betriebsrat der WAZ gewählt. Die 34-Jährige ist Redakteurin in der Lokalredaktion Oberhausen und arbeitet auch am Printdesk. Matthias Bau gehört zum neu gegründeten Betriebsrat bei Correctiv. Der 31-Jährige ist Teil des Faktencheck-Teams beim Recherchezentrum. Sascha Fobbe spricht mit ihnen über ihre Ziele und was als erstes ansteht.
DJV-NRW: Erst einmal herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl, Frau Kortekamp und Herr Bau. Fangen wir mit dem ganz neuen Betriebsrat bei Correctiv an: Herr Bau, was erhoffen Sie und Ihre Kollegen und Kolleginnen sich von dem neuen Gremium?
Bau: Wir sind stark gewachsen in den letzten Jahren, aktuell sind wir etwa 60 Angestellte, d. h. es gibt einige strukturelle Veränderungen im Betrieb. Einige bisher eher informelle Regelungen werden jetzt formalisierter, zudem werden die Gehaltssysteme umstrukturiert und Ähnliches. Das wollen wir aktiv begleiten und geschlossen die Interessen der Belegschaft vertreten. Das ist, glaube ich, eine der größten Hoffnungen, die die Kolleginnen und Kollegen mit dem Betriebsrat verbinden, dass nun eine einheitliche Position aus der Belegschaft heraus gegenüber der Geschäftsführung vertreten werden kann.
DJV-NRW: War das sozusagen auch Ihr Wahlversprechen?
Bau: Bei uns gab es keinen Wahlkampf, bei dem einzelne Personen mit Positionen aufgetreten sind. Wir haben eher darauf geachtet, dass die unterschiedlichen Redaktionen von Correctiv im Betriebsrat vertreten sind. Im Vorfeld haben wir geklärt, wer es gerne machen würde. Acht Leute haben sich zur Wahl gestellt und fünf wurden dann gewählt.
DJV-NRW: Haben Sie neben den unterschiedlichen Redaktionen auch die verschiedenen Standorte abgebildet?
Bau: Ja, wir haben Standorte in Essen und Berlin, aber auch in Bottrop. Wir wollten einerseits von diesen Standorten Personen im Betriebsrat haben, aber eben auch aus den unterschiedlichen Redaktionen wie Klimaredaktion und Faktencheck-Team und auch aus dem Verlag usw., damit Correctiv als Ganzes möglichst gut im Betriebsrat repräsentiert ist. Das ist uns auch weitgehend gelungen.
DJV-NRW: Frau Kortekamp, den Betriebsrat bei der WAZ gibt es schon so lange, dass Sie und ich das gar nicht überblicken können. Sie haben sich das erste Mal aufstellen lassen, was war der Grund dafür?
Kortekamp: Mir war schon immer wichtig, dass ich mitgestalten und Ideen einbringen kann. Ich glaube, dass ich durch meine Position im Betriebsrat einfach mehr Möglichkeiten habe, Einfluss zu nehmen auf den Wandel, dem die Medienbranche unterliegt.
DJV-NRW: Sie waren also nicht mit dem vorherigen Betriebsrat unzufrieden?
Kortekamp: Nein, überhaupt nicht. Es sind ja auch alle aus gutem Grund wiedergewählt worden, weil sie einfach einen super Job gemacht haben. Ich kannte alle schon vorher aus meiner täglichen Arbeit und habe mich auch erkundigt, worauf ich mich einstellen muss als Betriebsrätin. Ich erfahre jetzt trotzdem bei jeder Sitzung Neues und bin gespannt, was mich da noch alles erwartet.
DJV-NRW: Hatten Sie ein bestimmtes Thema, mit dem Sie in die Wahl gegangen sind?
Kortekamp: Mir liegen zwei Themen besonders am Herzen. Das ist zum einen der Nachwuchs. Ich glaube, dass es total wichtig ist, die neue Generation für Journalismus zu begeistern, und man merkt, dass junge Leute andere Ansprüche an Arbeitsbedingungen stellen. Themen wie flexible Arbeitszeiten, mobiles Arbeiten und Work-Life-Balance sind sehr wichtig geworden. Es ist natürlich für ein Medienunternehmen eine große Herausforderung, dem gerecht zu werden, weil man als Journalist oder Journalistin keinen Nine-to-five-Job hat. Das passiert aber auch schon. Anfang Mai wurde zum Beispiel bei Funke ein System zur Arbeitszeiterfassung eingeführt, um Überstunden sichtbar zu machen und abzubauen. Außerdem gibt es bei uns die Möglichkeit, ein Volontariat in Teilzeit zu machen, also Beruf und Familie schon in der Ausbildung zu verbinden. Das ist schon sehr gut, aber wir müssen auch weiter daran arbeiten.
Und das zweite ist die nicht besonders ausgeprägte Heterogenität unter den Medienschaffenden. Das finde ich sehr schade, weil unsere Gesellschaft vielfältig ist. Diversität ist natürlich auch für einen neutralen und ausgewogenen Journalismus wichtig, um unterschiedliche Perspektiven abzudecken. Ich glaube, da müssen wir noch viel mehr tun.
DJV-NRW: Sind das Themen, die Sie auch im Blick haben, Herr Bau?
Bau: Also ich glaube bei Correctiv herrscht schon eine recht hohe Diversität. Mich bewegen eher solche Themen wie Vertragslaufzeiten.
DJV-NRW: Also eher die Basics, die bei Firmen, in denen es schon ewig einen Betriebsrat gibt, eigentlich laufen.
Bau: Genau.
DJV-NRW: Sie haben gerade erzählt, dass es bei Ihnen keinen richtigen Wahlkampf gab. Wie ist denn die Wahl aus Ihrer Sicht gelaufen? War alles problemlos?
Bau: Wir konnten uns im Vorfeld dankbarerweise mit dem DJV stark abstimmen. Da wir keinen Betriebsrat hatten, wussten wir auch nichts über das Wahlprozedere. Wir haben uns also erst einmal informiert und uns dann mit einer Juristin des DJV-NRW ausgetauscht. Sie hat den Prozess auch begleitet und war bei der ersten Sitzung dabei. Gewählt haben wir per Briefwahl. Das war in Teilen auch ein anstrengender Prozess, weil wir neben unseren normalen Tätigkeiten viel zu koordinieren hatten. Aber wir hatten sofort ein positives Feedback. Am Ende hat sich die Mühe gelohnt, weil alle super froh sind, dass es jetzt einen Betriebsrat gibt.
DJV-NRW: Waren Sie mit der Betreuung durch den DJV-NRW zufrieden? Können Sie jedem, der einen Betriebsrat gründen will, empfehlen, den DJV um Hilfe zu bitten?
Bau: Absolut. Ich glaube, von der Erfahrung kann man total profitieren. Wenn man sich eben zum ersten Mal mit so einem Thema beschäftigt, ist es total wertvoll, jemanden zu haben, der sich wirklich damit auskennt und auch weiß, wo etwas schiefgehen kann. Die Beratung ist auch immer sehr zeitnah erfolgt. Wir können überhaupt nicht klagen, wir haben mit dem DJV-NRW einen totalen Glücksgriff getan.
DJV-NRW: Wie hoch war denn die Wahlbeteiligung?
Bau: Wir haben es gar nicht ausgerechnet, aber die lag bei nahezu 100 %.
Kortekamp: Wow!
Bau: Es gab wirklich nur einzelne Leute, die sich nicht beteiligen konnten oder beteiligt haben.
DJV-NRW: Das ist schon ein Traumergebnis. Bei der WAZ sind die Quoten eigentlich auch immer relativ hoch, hat Ihre Kollegin Nina Estermann mir im Podcast „Ohne Block und Bleistift“ im Vorfeld der Betriebsratswahlen gesagt.
Kortekamp: Ja, das stimmt, normalerweise liegt sie um 80 %, dieses Jahr unter den besonderen Corona-Bedingungen lag sie bei über 70 %.
DJV-NRW: Es war für alle eine Herausforderung, in diesen Pandemiezeiten Wahlkampf zu machen und die Kollegen und Kolleginnen zu erreichen. Ist Ihnen das denn gelungen bei der WAZ?
Kortekamp: Da kommt jetzt meine besondere Position im Unternehmen ins Spiel, da ich zwei Stellen innehabe und diese eine Stelle am Printdesk eine Schnittstelle ist, wo ich jeden Tag mit vielen Leuten in Kontakt bin. In der digitalen Betriebsversammlung haben sich die Betriebsratskandidatinnen und ‑kandidaten kurz vorgestellt und das war unser Wahlkampf, mehr gab es nicht. Und dann wurde gewählt.
Bau: Bei uns war das ähnlich, wir haben uns auch nur im Grunde einmal vorgestellt als Team. Da gab es keine Konkurrenz um die Plätze, sondern wirklich nur: Wer sind wir? In welchen Redaktionen arbeiten wir? Was bewegt uns, beim Betriebsrat dabei zu sein? Und dann wurde abgestimmt.
DJV-NRW: Welche Ihrer Themen sind Sie denn schon angegangen?
Bau: Die Wahl war erst am 23. Februar, aber wir hatten schon zwei Monatsgespräche mit der Geschäftsführung, die in sehr konstruktiver Atmosphäre stattfanden. Bislang haben wir die Grundsätze der Zusammenarbeit geklärt, aber auch solche Themen angesprochen wie Jobticket oder Regelungen zur Krankmeldung. Ich glaube, wir haben bereits vieles adressieren können, was für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter interessant ist.
DJV-NRW: Correctiv existiert inzwischen acht Jahre, aber ich vermute, dass auch viele jüngere Leute bei Ihnen arbeiten. Sind Work-Life-Balance oder Homeoffice auch bei Ihnen Themen?
Bau: Ja. Über die Neueinstellungen in letzter Zeit hat sich das Team verjüngt, viele sind um die 30 Jahre alt. Aber Arbeitszeiten sind natürlich ohnehin ein Thema, auch Homeoffice-Regelungen. Während der Pandemie haben wir alle viel im Homeoffice gearbeitet, jetzt geht es darum, das in den Alltag zu überführen. Das sind Prozesse, die jetzt diskutiert werden.
DJV-NRW: Das heißt, Sie haben demnächst 25 Betriebsvereinbarungen.
Bau: Das ist möglich. Wir sind gespannt, was da auf uns zukommt.
DJV-NRW: Bei Betriebsvereinbarungen muss man auf vieles achten, werden Sie da weiter die Hilfe der DJV-Justiziare in Anspruch nehmen?
Bau: Nein, erst einmal nicht. Zunächst bilden wir uns fort, geschlossen als Gruppe. Das wird erst Anfang Juli sein, weil es vorher nicht möglich war, einen gemeinsamen fünftägigen Workshop für alle fünf Betriebsräte und Betriebsrätinnen zu organisieren. Darauf freuen wir uns sehr, dass wir dann wirklich solides Basiswissen vermittelt bekommen. Ich glaube, das wird unsere Arbeit dann auch noch einmal sehr voranbringen.
DJV-NRW: Wie sieht es mit Ihnen aus, Frau Kortekamp? Haben Sie Ihre Einführungs-Betriebsratsseminare schon hinter sich?
Kortekamp: Nein, ich mache die im Juni. Im Moment profitiere ich von dem Wissen und der Erfahrung meiner Kolleginnen und Kollegen im Betriebsrat, aber ich möchte selbst auch gerne wissen, wie genau die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für uns sind. Das finden manche vielleicht nicht so interessant, aber ich freue mich darauf.
DJV-NRW: Wie läuft denn die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen im Betriebsrat? Ich habe gerade gehört, Sie profitieren auch von deren Erfahrungsschatz.
Kortekamp: Die Zusammenarbeit läuft total gut. Wie gesagt, ich kannte schon alle, und ich habe mich da auch von Anfang an willkommen gefühlt. Es ist eine gute Atmosphäre, wir diskutieren viel, wir sind auch unterschiedlicher Meinung, aber es ist immer konstruktiv und ich empfinde das als sehr bereichernd.
DJV-NRW: Wie läuft das bei Ihnen, Herr Bau?
Bau: Also wir treffen uns eigentlich jede Woche für eine Sitzung und dann einmal im Monat mit der Geschäftsführung. Weil wir so eine kleine Gruppe sind, haben wir nicht häufig Differenzen, wir entscheiden auch meistens einstimmig. Das ist eine schöne Zusammenarbeit.
DJV-NRW: Kannten Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen auch schon sehr gut, bevor Sie sich als Betriebsrat gefunden haben?
Bau: Nein, was auch an der Pandemie liegt. Man kennt sich natürlich über Zoomkonferenzen, mit einigen habe ich auch schon gesprochen, aber zwei der Kolleginnen und Kollegen habe ich tatsächlich noch nie persönlich getroffen. Der Workshop wird dann auch wichtig fürs Teambuilding sein, sich als Gruppe zu treffen, abends noch zusammen ein Bier zu trinken und sich einfach mal auszutauschen.
DJV-NRW: War es eine gute Entscheidung, sich in den Betriebsrat wählen zu lassen?
Bau: Absolut. Ich empfinde es als total bereichernd für meine Tätigkeit insgesamt, aber auch, weil Correctiv ein spannendes Unternehmen ist, in dem ich mich einbringen möchte, wie Frau Kortekamp das auch gesagt hat. Die Funktion als Betriebsrat eröffnet Möglichkeiten, die man sonst nicht hat. In diesem intensiven Austausch mit der Geschäftsführung erlebt man Prozesse ganz anders. Auch Wandlungsprozesse kann man anders begleiten, man bekommt andere Einblicke und das finde ich total spannend.
Kortekamp: Ich möchte noch etwas ergänzen: Man muss natürlich auch darauf vorbereitet sein, dass es Situationen geben wird, die man nicht zur Zufriedenheit aller Beteiligten lösen kann. Man muss auch eine gewisse Frustrationstoleranz mitbringen. Das ist eine große Herausforderung für Menschen wie mich, die einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und ein Harmoniebedürfnis haben. Das darf man nicht unterschätzen. Alles andere, was Herr Bau gesagt hat, kann ich aber genauso unterstreichen.
DJV-NRW: Also sollte man darauf vorbereitet sein, dass man nicht alles erfüllen und dass es mit dem Arbeitgeber auch Konflikte geben kann.
Kortekamp: Das lässt sich nicht immer vermeiden. Meine Entscheidung für den Betriebsratsposten war trotzdem richtig.