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Welche Rechte Arbeitnehmer:innen haben, wenn die Temperaturen steigen

Hitzefrei im Büro?

18.07.2022

Das Thermometer klettert mal wieder weit über 30 Grad, fast 40 Grad sind prognostiziert. Konzentriertes Arbeiten fällt zunehmend schwerer. In vielen Bürohäusern steigt die Hitzebelastung von Stockwerk zu Stockwerk an. Viele fragen sich:

  • Muss ich unter diesen Bedingungen arbeiten, oder kann ich nach Hause gehen?
  • Welche Maßnahmen muss der Arbeitgeber treffen, wenn die Temperaturen steigen?

Ab welcher Temperatur muss nicht mehr gearbeitet werden?
Leider gibt es keine absolute Zahl, sondern nur Richtwerte. Nach § 3a der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) müssen Arbeitsstätten so eingerichtet und betrieben werden, dass von ihnen keine Gefahr für die Gesundheit der Beschäftigten ausgeht. Doch ab welcher Temperatur bestehen Gefahren für die Gesundheit? Die Antwort geben die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Anders als die Arbeitsstättenverordnung sind die ASR nicht verbindlich, sondern sind Richtwerte. Die ASR sind kein Gesetz. Sie spiegeln den technischen Kenntnisstand wieder. Hält der Arbeitgeber die ASR ein, ist davon auszugehen, dass er insoweit die Anforderungen an den Arbeitsschutz erfüllt. Hält er sich nicht an die ASR, muss er durch andere Maßnahmen den gleichen Gesundheitsschutz erreichen.
Der Arbeitgeber kann sich nicht drauf berufen, er sei nur Mieter der Arbeitsstätte. Er hat die Verpflichtung, sich mit dem Vermieter gegebenenfalls über technische Maßnahmen auseinanderzusetzen.

Erfüllt der Arbeitgeber bei großer Hitze seine Schutzpflichten gegenüber den Arbeitnehmern nicht, so kann die zuständige Behörde im Einzelfall Schutzmaßnahmen anordnen.

Was muss der Arbeitgeber tun, wenn es zu heiß wird?
Steigt die Lufttemperatur auf über 26 Grad Celsius, sehen die ASR ein abgestuftes Konzept vor.

Ab 26 Grad Celsius
Ab 26 Grad Celsius ist zu prüfen, ob besondere Maßnahmen für gesundheitlich besonders schutzbedürftige Personen (z.B. Schwangere oder gesundheitlich Vorbelastete) zu ergreifen sind. Fenster, Oberlichter und Glaswände sind mit geeigneten Sonnenschutzsystemen auszurüsten, wenn diese die Ursache für eine Raumtemperatur über 26 Grad Celsius sind. Der Arbeitgeber soll Trinkwasser bereitstellen.

Ab 30 Grad Celsius
Bei Temperaturen ab 30 Grad Celsius werden organisatorische und personenbezogene Maßnahmen gefordert. Beispielhafte Maßnahmen:

  • effektive Steuerung der Lüftungseinrichtungen (z.B. Nachtauskühlung)
  • Reduzierung der inneren thermischen Lasten (z.B. elektrische Geräte nur bei Bedarf betreiben)
  • Lüftung in den frühen Morgenstunden
  • Nutzung von Gleitzeitregelungen zur Arbeitszeitverlagerung
  • Lockerung der Bekleidungsregelungen
  • Bereitstellung geeigneter Getränke (z.B. Trinkwasser) ist Pflicht
  • Nutzung von Ventilatoren (z. B. Tisch-, Stand-, Turm- oder Deckenventilatoren)

Die Unfallversicherungsträger haben zum Thema Raumklima eine Handlungshilfe unter der Nr. BGI 7003 (https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/796) veröffentlicht.

Ab 35 Grad Celsius
Wird die Lufttemperatur im Raum von 35 Grad Celsius überschritten, so ist der Raum für die Zeit der Überschreitung ohne technische Maßnahmen (z.B. Luftduschen, Wasserschleier)
oder organisatorische Maßnahmen (z.B. Entwärmungsphasen) nicht als Arbeitsraum geeignet.

Habe ich „hitzefrei“, wenn es zu heiß ist?
Steigt die Temperatur über 35 Grad oder ergreift der Arbeitgeber ab 26 Grad Celsius keine geeigneten Maßnahmen, so stellt sich die Frage, ob Arbeitnehmer „hitzefrei“ haben, weil sie ihre Arbeit verweigern können. Diese Frage ist zu bejahen. Der Arbeitnehmer hat ein Zurückbehaltungsrecht, wenn der Arbeitgeber den Arbeitsschutz nicht einhält.
Trotzdem wird „hitzefrei“ die absolute Ausnahme bleiben. Bei dem immer noch mäßigen Klima in Deutschland sind nur relativ kurzfristige Überschreitungen der zulässigen Arbeitsraumtemperaturen zu erwarten. Ein Fernbleiben von der Arbeit wäre deshalb, abgesehen von krassen Ausnahmefällen, wohl meist unverhältnismäßig. Ohne rechtliche Absicherung durch einen Arbeitsrechtler darf niemand von der Arbeit wegbleiben; Fehler in diesem Bereich können schwerwiegende Konsequenzen haben.

Was gilt für freie Mitarbeiter:innen?
§ 3a Arbeitsstättenverordnung und damit auch die ASR gelten auch für arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiter:innen. Arbeitnehmerähnlich sind Journalisten die mehr als ein Drittel Ihres Entgelts bei einem Arbeitgeber verdienen.

Was kann der Betriebsrat tun?
Arbeits- und Gesundheitsschutz ist mitbestimmungspflichtig. Das bedeutet: Gibt es keine Einigung über den Umgang mit der Hitze, so kann die Einigungsstelle angerufen werden.

Rückfragen bitte an

Christian Weihe
Justiziar

christian.weihe@djv-nrw.de
0211 23399-34

Karoline Sieder
Justiziarin

karoline.sieder@djv-nrw.de
0211 23399-38

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