DJV-NRW: Corona-Krise nur vorgeschoben
Westfalen-Blatt Gruppe kündigt Tarifflucht an
Wie wichtig und gefragt Journalismus gerade in Krisenzeiten ist, hat die Corona-Pandemie hinlänglich bewiesen. Als Schlag ins Gesicht müssen deshalb die Redakteurinnen und Redakteurinnen der Westfalen-Blatt-Gruppe, die sich mit voller Kraft dieser Herausforderung gestellt haben, die jüngste Ankündigung der Geschäftsleitung empfinden: Am Ende des Jahres will die Gruppe aus dem Tarif aussteigen und begründet dies in einer Hausmitteilung mit „wirtschaftlichem Druck“ durch die Corona-Krise. Der DJV-NRW-Vorsitzende Frank Stach bewertet das allerdings als Vorwand, um eine langfristige Strategie durchzusetzen: „Aschendorff setzt mit seiner Beteiligung in Ostwestfalen jetzt um, was der Verlag in Münster schon 2015 begonnen hat, nämlich einen Sparkurs auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Corona-Krise ist vielleicht der Anlass, sie ist nicht der Grund für die Tarifflucht, sie ist ein Feigenblatt.“Zur Westfalenblatt-Gruppe gehören auch die Titel Westfälisches Volksblatt, Herforder Kreisblatt und das Anzeigenblatt Panorama. Die tarifgebundene Mitgliedschaft des Westfalen-Blattes soll ab dem 1. Januar als Mitgliedschaft ohne Tarifbindung fortgeführt werden. Für die anderen drei Titel bestehen Haustarifverträge, die gekündigt werden sollen. Damit löst sich die Westfalenblatt-Gruppe nur anderthalb Jahre nach der Übernahme durch die Unternehmensgruppe Aschendorff von den Tarifverträgen für Redakteur*innen und kaufmännische Angestellte. Für Aschendorff nicht der erste Vorgang dieser Art: Die Unternehmensgruppe ist auch Herausgeber der Westfälischen Nachrichten (Münster), die die Tarifbindung bei den Redakteurinnen und Redakteuren bereits 2015 verlassen und die Beschäftigten damals unter Druck gesetzt hatte, neue, schlechtere Verträge zu unterschreiben. Seitdem wird deutlich untertariflich gezahlt. Jetzt droht das gleiche Schicksal in Ostwestfalen. Schon zu der Übernahme hatte der DJV-NRW nachdrücklich vor negativen Konsequenzen gewarnt. „Das hat mit Krisenbewältigung nichts zu tun, sondern ist die geplante Umsetzung der Aschendorffschen Unternehmenspolitik, die ausschließlich zu Lasten der Beschäftigten geht, nun auch für die übernommene WB-Gruppe. Sozusagen die Krönung einer langen Kette von Weichenstellungen“, sagt DJV-NRW-Geschäftsführer Volkmar Kah: „Die segeln im Windschatten von Corona, um dauerhaft die Arbeitsbedingungen zu verschlechtern.“Denn: Die jetzt drohende Tarifflucht reiht sich in eine Serie von Entscheidungen, die das Jahr 2019 bereits zu einem bitteren für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben werden lassen. Nach der Fusion wurde im Herbst vergangenen Jahres bekannt, dass das Westfalen-Blatt künftig große Teile des Mantels seiner Tageszeitungen nicht mehr selbst produziert. Zeitgleich sollten zehn der geschätzt 85 Redakteurinnen und Redakteure dem Rotstift zum Opfer fallen. Ende November 2019 dann die nächste Hiobsbotschaft: Die Redaktion Gütersloh wird im März 2020 geschlossen. „Nun ist genau das eingetreten, was wir befürchtet haben, als die Unternehmensgruppe Aschendorff und das Westfalen-Blatt Anfang des Jahres ihre gemeinsame Holding angekündigt haben“, kritisierte damals schon der DJV-Landesgeschäftsführer.Mit der nun drohenden Tarifflucht setzt die Gruppe die begonnen Einsparungen bei den Personalkosten fort. „Sich gerade in diesen Zeiten aus der Tarifpartnerschaft zu verabschieden und den Kolleginnen und Kollegen die Sicherheit zu entziehen, lässt nur mit dem Kopf schütteln“, sagt Frank Stach. Und: Die fortschreitende Tarifflucht von Verlagen entwertet den Beruf des Tageszeitungs-Redakteurs. Viele Verlage sind aus dem Verlegerverband ausgetreten oder umgehen die Tarifverträge mit Tochterfirmen. „Mit der finanziellen Abwertung des Berufes schwindet auch dessen Attraktivität für den redaktionellen Nachwuchs“, mahnt Stach und fordert den Verlag auf, tariftreu zu bleiben. Denn Verlage, die die Herausforderungen der Zukunft meistern wollen, brauchen sehr gute Mitarbeiter, und die bekommt man nur für ein faires Gehalt. Frank Stach appelliert daher an alle Verleger, auch im eigenen Interesse die Tarife einzuhalten und das Sparpotential nicht bei den Mitarbeitern zu suchen.Der DJV-NRW rät den Betroffenen daher auch nachdrücklich, in dieser Situation nicht leichtfertig neue Regelungen zu unterschreiben. „Wir stehen zu den Kolleginnen und Kollegen und bieten unsere Unterstützung an“, betont Frank Stach. Ansprechpartner: Volkmar Kah, 0211/233 99-0